29.10.2017 | Tobias Peske erlitt mit 18 Jahren einen Schlaganfall, aber davon ließ er sich nie aufhalten. Der junge Mann lernte, selbst zurechtzukommen, hielt an seinen Träumen fest und hat nun den perfekten Job.
Von Claudia Pott
Tobias Peske ist glücklich. Er hat eine Beschäftigung gefunden, die gleichzeitig sein Hobby ist. Der 29-jährige Kamener macht ein Praktikum in dem Angelladen Baitstore und ist damit „mehr als sehr zufrieden“, sagt er.
Vor zwei Jahren war noch nicht absehbar, ob Peske jemals einen Job finden würde. Grund dafür ist ein schwerer Schicksalsschlag, der sein Leben komplett auf links gedreht hat: „Ich war auf dem Geburtstag eines Schulkollegen. Die Party ging bis in die Nacht und ab dann weiß ich nichts mehr.“
Schwerer Schicksalsschlag
Der damals 18 Jahre alte Schüler erlitt einen Schlaganfall. „Ich wachte im Krankenhaus auf, konnte meine rechte Seite nicht mehr bewegen und nicht sprechen“, so Peske. Es sei erdrückend gewesen, nichts alleine zu können und alles neu lernen zu müssen, sagt er. Das hat den Schüler, der damals kurz vor seinem Abschluss stand, aber nicht davon abgehalten, es trotzdem mit ganzem Willen zu versuchen. Mit der Unterstützung seiner Familie, die ihm bis heute den Rücken stärkt, schaffte es der Jugendliche, in einer mehrmonatigen Reha Gehen und Sprechen zu lernen.
Während er aus der Reha noch rausgehumpelt sei, fasste er danach schnell Fuß. Mit Hilfe von Ergo- und Physiotherapien sowie logopädischer Unterstützung, fiel ihm das Laufen und Sprechen immer leichter. Trotz solcher Erfolge sollte sein Leben aber nie mehr das sein, was es einmal war. Einige seiner Freunde wendeten sich von ihm ab und sein geliebtes Hobby, das Wasserballspielen, würde er in Zukunft nie wieder ausführen können.
Nie aufgeben
Aufgeben kam für den jungen Mann aber nie in Frage. Sein Hobby, das Angeln, hing er nicht an den Nagel, sondern lernte, die Angelrute anders zu halten, und konnte dem Sport so weiter nachgehen. Er gab auch dann nicht auf, als er keinen Job finden konnte. Peske schaffte seinen Hauptschulabschluss und begann in einem Berufbildungswerk mit einer Ausbildung zum Mediengestalter. Damit knüpfte er an seine Pläne vor dem Schlaganfall an. Er zog nach der Ausbildung in seine erste eigene Wohnung und fand Wege, alleine zurechtzukommen. „Man lernt, manche Dinge mit einer Hand zu machen – wie zum Beispiel Dosen öffnen“, erzählt Peske.
Arbeit zu finden erwies sich aber als schwierig. „Teils haben die Firmen gar nicht geantwortet“, sagt Peske, der nach einem Bürojob oder einer Beschäftigung im Bereich Mediengestaltung suchte. Er fand vier Jahre lang nichts. Dann lernte er während eines Seminars des Jobcenters den Mann kennen, der ihm bald eine Stelle besorgen sollte.
Eine Tür öffnet sich
Marco-Sander Fußy ist Arbeitstrainer für das Inklusionsprojekt „NeuEinstellung“ der AWO-Tochtergesellschaft „Bildung und Lernen“. Er lernte Tobias Peske kennen und dachte sich, „Mensch, der könnte mehr gebrauchen – einen Türöffner, um in einen Betrieb zu kommen“, so Fußy. Genau dieser Türöffner war für Peske die „Unterstützte Beschäftigung“.
Mit der finanziellen Unterstützung der Agentur für Arbeit gingen Fußy und Peske das Projekt Jobsuche neu an. Fußy hörte sich in Kamen um und landete direkt eine „Punktlandung“, sagt er. Er fand in einem Kamener Angelgeschäft, das seine Waren auch online verkauft, den perfekten Arbeitsplatz für seinen Schützling, den nicht nur Mediengestaltung, sondern auch der Angelsport begeistert. „Es ist immer einfach, das zu machen, was man gut kann“, erklärt Fußy seine Vorgehensweise.
Der Arbeitstrainer sprach den Besitzer des Ladens, Kai Malzahn, an und hatte Erfolg. Zunächst waren vier Wochen Praktikum angedacht, daraus wurden aber schnell zwölf. „Die Chemie passt“, sagt Peske über das Arbeitsklima in dem Zweimannbetrieb. Auch Malzahn ist froh um die Hilfe durch seinen Praktikanten. „Er ist eine richtig gute Unterstützung“, so Mahlzahn. Der Ladenbesitzer eröffnet bald ein neues Geschäft, weshalb viel neue Arbeit anfällt. Das Praktikum sei also eine Win-Win-Situation. Er habe zwar viel Zeit in die Einarbeitung investieren müssen, aber es entwickle sich gut. „Bei Tobias merkt man, dass er will“, so Malzahn.
Blick nach vorne
Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist ein fester Arbeitsvertrag, erklärt Fußy, der Peske nicht nur im beruflichen, sondern auch privaten Alltag zur Seite steht. „Wir gehen davon aus, dass es zum Anfang kommendes Jahres einen Arbeitsvertrag gibt“, sagt er. Sicher sei das noch nicht, aber auch Malzahn klingt zuversichtlich. „Er hat gute Chancen, übernommen zu werden. Er gibt sich Mühe und will den Job “, sagt er.
Unterstütztes Arbeiten für eine neue Zukunft
Leitsatz: „Erst platzieren, dann qualifizieren“
„Unterstützte Beschäftigung“ hilft behinderten Menschen auf ihrem Weg in ein festes Arbeitsverhältnis. Der Leitsatz der Initiative ist „Erst platzieren, dann qualifizieren“. Sie wird vom Arbeitsamt finanziert.
Nachdem ein Jobcoach mit der beeinträchtigten Person über ihre Wünsche und Fähigkeiten gesprochen hat, geht es an die Suche nach einem betrieblichen Qualifizierungsplatz. Dabei ist ein Netzwerk mit Arbeitgebern hilfreich, doch nicht immer ist der passende Job dabei. „Ich habe ein Netzwerk, aber in diesem Fall war es Kaltakquise“ so Arbeitstrainer Marco-Sandor Fußy über die Arbeitssuche für Tobias Peske.
Das Ziel der Qualifizierung im Betrieb ist die Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis, erklärt er. Neben der Arbeit im Betrieb gebe es auch Seminartage, an denen beispielsweise gelernt wird, vor anderen Leuten zu sprechen und selbstbewusst aufzutreten.
Fußy ist als Arbeitstrainer während der Qualifizierungsphase für den Lernenden da und steht auch in direktem Kontakt zum Betrieb. Er kläre Arbeitgeber über das Projekt „NeuEinstellung“ auf, so Fußy.
Seine Position bezeichnet er als „Anker“ und „Bindeglied“. Er öffne betroffenen Personen die Türen zu einem neuen Beruf und bleibe auch oft nach der erfolgreichen Festanstellung mit ihnen in Kontakt, so der Arbeitstrainer.
» Wenn ich aufgestanden wäre, wäre ich einfach umgefallen. «
Tobias Peske (29)
Foto: Die Chemie zwischen den beiden stimmt: Tobias Peske (l.) mit seinem Chef Kai Malzahn. Peske macht ein Praktikum in dem Angelgeschäft Baitstore und hofft nun auf eine Festanstellung. Ermöglicht wurde ihm die Stelle durch die Initiative „NeuEinstellung“. (Hellweger Anzeiger, Sarad)
Originalartikel: Hellweger Anzeiger, 29.10.2017: Aufgeben kam nie in Frage